Anforderungen oder Erwartungen – woran wird ein Projektergebnis wirklich gemessen?
Wenn ein Unternehmen Veränderungen in seinen Geschäftsprozessen oder den unterstützenden IT-Systemen durchführen möchte, wird ein Projekt gestartet. In Anforderungen wird präzise und eindeutig definiert, was in dem Projekt umzusetzen ist. Schnell kommen enorme Listen zusammen. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob die Anforderungen am Anfang des Projektes z.B. in Form eines Lasten- oder Pflichtenheftes spezifiziert werden oder in agilen Projekten iterativ als Backlog entstehen. Formal sind die Anforderungen ausschlaggebend für die vom Projekt zu erbringende Leistung und werden bei der Abnahme als Kriterium herangezogen. Aber wird im Unternehmen das Ergebnis des Projektes wirklich anhand dieser Anforderungen bewertet?
Die sachliche Diskussion über Details erfolgt sicher anhand der Anforderungen. Denn nur dort sind die Details genau spezifiziert. Im Optimalfall wird sogar festgelegt wie zu überprüfen ist, ob alles auch korrekt umgesetzt wurde.
Die persönliche Beurteilung vieler Beteiligter/Betroffener findet allerdings eher auf der emotionalen Ebene ihrer individuellen Erwartungen statt. Und leider ist diese Einschätzung maßgeblich dafür, wie sich diese Personen dem Projekt gegenüber verhalten: ob sie es unterstützen oder ob sie gegen das Projekt eingestellt sind. Es sind weniger die sachlichen Anforderungen, vielmehr sind es die persönlichen Erwartungen. Wenn die Erwartungen solchen Einfluss haben, sollte man ihnen dann nicht mehr Beachtung schenken?
„You can’t always get what you want” – The Rolling Stones
Natürlich kann man es nicht jedem Recht machen. Allzu oft sind die vielen unterschiedlichen Erwartungen sogar widersprüchlich. Das ist den meisten Beteiligten auch bewusst. Es können nicht alle Wünsche erfüllt werden. Das verlangt aber auch niemand. Jeder will jedoch, dass seine Erwartungen und seine Befürchtungen zumindest gehört und ernst genommen werden. Kommt man diesem Wunsch nicht nach, schafft man sich schnell Gegner.
Die Systeme, an welche die Anforderungen gestellt werden – seien es Geschäftsprozesse oder IT-Systeme – sind enorm kompliziert. Deshalb fällt es vielen beteiligten Mitarbeitern schwer nachzuvollziehen, ob und wie ihre Erwartungen sich in den detaillierten Anforderungen wiederspiegeln. Hierbei brauchen Sie Unterstützung. Sie brauchen eine Unterstützung in die sie auch vertrauen können. Leider wird dieses Vertrauen zu oft gebrochen, teilweise sogar aus Berechnung. „Das ist alles ganz anders, als es uns versprochen wurde!“ Kennen Sie diesen Satz auch? Ich habe ihn schon oft gehört, wenn ich in ein kriselndes Projekt gekommen bin. Was war passiert: Anforderungen und Erwartungen waren auseinander gelaufen und dies wurde nicht bemerkt oder nicht beachtet, zumindest nicht kommuniziert. Was hätte man dagegen tun können?
Ich denke, mit einem systematischen Management der Erwartungshaltungen als Ergänzung zum Anforderungsmanagement kann man solchen Situationen entgegenwirken. Die Stakeholder-Analyse und das aktive Abfragen der persönlichen Erwartungen sind bereits eine gute Vorbereitung für die nachfolgende Anforderungsanalyse und stellen somit kaum Zusatzaufwand dar. Sobald im nächsten Schritt die Anforderungen entwickelt sind, kann man diese mit den Erwartungshaltungen abgleichen und bereits früh kommunizieren, ob und wie geplant ist diese umzusetzen. So lassen sich unrealistische Erwartungen bereits zu Anfang ausräumen. Das erfordert aber auch den Mut, offen zu kommunizieren. Dieser Mut zahlt sich jedoch spätestens am Projektende aus.
Auch während der Projektumsetzung ist die Kenntnis über die Erwartungshaltungen sehr hilfreich. Denn es gibt im Laufe eines Projektes enorm viele Mikro-Entscheidungen zu treffen, die in den Anforderungen offen gelassen wurden. Wenn an diesen Stellen die ursprünglichen Erwartungshaltungen bekannt sind, kann auch in deren Sinne entschieden werden. Dies schafft nicht nur eine größere Zufriedenheit mit den Projektergebnissen, es schafft auch Vertrauen. Möglich ist dies allerdings nur, wenn die Erwartungshaltungen nicht nur am Anfang einmal angehört und dann vergessen werden, nach dem Motto: zu dem einen Ohr rein, zu dem anderen raus. Sie müssen durchgängig im Projekt sichtbar sein.
Wie gehen Sie in Ihren Projekten mit den Anforderungen der Stakeholder um? Schreiben Sie mir bitte ihre Tipps. Ich freue mich drauf.